Die Geschichte der Glocke von Bleischwitz
Wie kam es, dass die 1690 geweihte Glocke der Kirche von Bleischwitz (Bild rechts) heute in Belmicke im Dekanat Gummersbach läutet?
Wie in den meisten Landgemeinden in Schlesien war auch in Bleischwitz die Kirche ursprünglich aus Holz erbaut. Erst 1672 wurde sie gemauert und der hl. Katharina geweiht. Einen Turm erhielt sie im Jahre 1680. Die große reichlich verzierte Bronze-Glocke wurde im Jahr 1690 in Olmütz gegossen und der Maria Magdalena geweiht. Die Turmuhr schaffte die Gemeinde im Jahr 1879 an.
So erging es vielen Glocken im zweiten Weltkrieg:
Glocken aus Bronze waren in den Weltkriegen für Rüstungszwecke kriegswichtiges Material und wurden zwangsweise eingezogen. Gemäß einer Verordung vom 15. März 1940 erfolgte die Beschlagnahmung von Glocken auf Grundlage von vier Kategorien: A: Sofort zur Verhüttung kommende Glocken, B und C: im Sammellager zurückzustellende, D: dauernd an Ort und Stelle zu erhaltende Glocken. Der Gruppe A wurden fast alle Glocken aus der Zeit nach 1800 zugeordnet sowie eine Reihe von Glocken des 16. bis 18. Jahrhunderts und sogar des Mittelalters. Damit wurden ca. 77% aller Glocken der Kategorie A zugeordnet. Nach der Abnahme von den Türmen wurden sie gesammelt und in Schiffsladungen und Güterzügen den Hüttenwerken zugeführt. Die beiden Hüttenwerke in Hamburg erhielten den weitaus größten Teil aller deutschen Glocken. Die B und C Glocken stellte man in Hamburg im Freihafen auf dem damals unbenutzten Holzlager am Reihersteg ab, dem sogenannten Glockenfriedhof. Da der Platz nicht ausreichte, wurden die Glocken zu ganzen Pyramiden aufeinander getürmt. In den letzten Kriegswochen sind hier auch noch 500 alte Glocken den Fliegerangriffen zum Opfer gefallen. Nach Kriegsende wurden die verbliebenen 10.000 Glocken so weit möglich an ihre Heimatgemeinden zurückgeführt. Durch die Stapelung zu Pyramiden zeigte sich bei vielen Glocken nach der Rückkehr in ihre Heimatgemeinden, dass durch den übermässigen Druck im Glockenmantel feine Haarrisse entstanden waren. Dies führte beim ersten Anläuten zu Sprüngen und machte die Glocken unbrauchbar. Bei Glocken aus ehemaligen deutschen, nun polnischen Gebieten war die Rückführung aus politischen Gründen nicht möglich. Von dort stammende Glocken wurden daher als Patenglocken an westdeutsche Gemeinden vergeben.
So kam die sehr schön verzierte Glocke aus Bleischwitz nach dem zweiten Weltkrieg vom Hamburger Glockenfriedhof als Patenglocke 1952 nach Belmicke, wo man sich darüber sehr freute. Und hier ist sie zu hören, als Geläut von St. Anna.
Quellen:
https://de.wikipedia.org/wiki/Glockenfriedhof
und Klaus Schlüte: Zum Schicksal denkmalwerter Kirchenglocken: Ablieferung - Vernichtung - Rückführung - Verluste nach 1945
Die Informationen und Bilder zur Bleischwitzer Glocke wurden dankenswerterweise von Herrn Hans Gerd Menne aus Belmicke zur Verfügung gestellt.
Die Patenglocke aus Bleischwitz
Nach dem Krieg erhielt Belmicke im Jahr 1952 eine sogenannte Patenglocke aus Bleischwitz in Oberschlesien. Bleischwitz liegt im Kreis Leobschütz zwischen Ostrau, Gleiwitz, Kattowitz und Oppeln.
In der Chronik "250 Jahre St. Anna Belmicke" von 1986 von Fr. Wolff, H. Gräve und G. Hehse ist folgendes zu lesen: Das Geläut, das die Kirchengänger zum Gottesdienst rief, war noch sehr dürftig, was bei einer kleinen Glocke nicht anders zu erwarten ist. Als wahres Glück stellte sich die Nachricht heraus, dass im Hafen von Hamburg noch Glocken standen, die den Krieg überdauert hatten. Eine davon war für die hiesige Pfarre vorgesehen. Die Glocke stammt aus Bleischwitz in Schlesien. Am 24.07.1952 wurde sie als Leihglocke im hiesigen Glockenstuhl aufgehängt.
Georg Beier, ein gebürtiger Bleischwitzer, schreibt dazu in seinem Buch über Bleischwitz: "Der Weg unserer alten Glocke im und nach dem zweiten Weltkrieg kommt einer Odyssee gleich. Im Jahre 1943 mußte sie abgeliefert werden und war zum Einschmelzen vorgesehen. Sie gelangte nach Westdeutschland. Hier entging sie ihrem Schicksal und blieb unversehrt. Im Germanischen Museum in Nürnberg wurde sie registriert und wurde der Erzdiözese Köln übergeben. Von hier gelangte sie als „Patenglocke“ in die Pfarrgemeinde Belmicke bei Bergneustadt ins Oberbergische Land. Nun erklingt sie im Turm der Kirche in Belmicke für alle Bleischwitzer in der Fremde."
Diese Glocke hat folgende Daten:
Durchmesser 878 mm; Gewicht 420 kg, Material Bronze; Schlagring 71 mm, Schlagton b'-2.
Gegossen wurde die alte Glocke von Paul Reimers in Olmütz im Jahre 1690.
Am oberen Rand der Glocke steht in lateinischer Sprache:
Campana haec honore dedicata Santa Mariae Magdalenae
Anno MDCXC.
Das bedeutet: Diese Glocke ist zu Ehren der heiligen Maria Magdalena geweiht worden im Jahre 1690.
Auf dem Glockenmantel sind weiter Namen aufgeführt:
Der Glockengießer Paulus Reimers;
Johann Georg Zopfel, Kammerburggraf;
Michael Anlauff, Richter in Bleischwitz;
Matheus Johannes Coroschetzi u.de. Parocus (Pfarerr) et Dekanatus aus Karnowitz.
Die Glocke ist oben und unten mit Dekor versehen. Am oberen Ende befinden sich sechs Engelköpfe, an denen die Glocke im Glockenstuhl befestigt ist.
Beschreibung der Glocke II in Belmicke: Maria Magdalena, Denkmalglocke aus Schlesien
Schrift oben am Glockenhals: MARIA MAGDALENA,
Buchstaben 2,5 cm hoch
Mit weisser Farbe aufgemalt die Registriernummer aus der Glockenabgabe in II Weltkrieg: 25 / 12 / 22 C
Der Klöppel ist an einer Platte aufgehangen, welche mittels zweier Schrauben durch zwei Bohrungen am Glockenkopf befestigt ist.
Schlagringstärke 7,1 cm , bzw. an der ausgeschlagenen Stelle 6,5 cm.
Die Denkmalglocke zeigt ein sehr reichhaltige Glockenzier.
Deren Beschreibung ist der Karteikarte des Germanischen Museums in Nürnberg entnommen:
Nr: 24 / 12 / 22 C,
Bleischwitz, Kreis Leobschutz, Oberschlesien
Durchmesser: 88 cm
Höhe: 90 cm
Höhe der Bügel: 21 cm
Gewicht: 370 kg
Name: Maria Magdalena
Giesser: Paulus Reimer
Giessort: Olmütz
Verzierung und Inschrift:
Hoch abgesetzte, gekehlte Kronenplatte.
Auf der abfallenden Haube 2 Hohlkehlen.
Um die Schulter ornamentaler Fries von gut. Lilien.
Darunter zwischen den Stegen Inschrift in Antiqua:
CAMPANA HAEC HONORE SANTAE MARIA MAGDALENAE DEDICATA ANNO MDCXC
Die Übersetzung lautet:
„Diese Glocke ist zu Ehren der heiligen Maria Magdalena geweiht worden im Jahre 1690.“
Darunter Fries von stilisierten Kanz (?).
Auf der Flake Kreuzigung mit Maria Magdalena und Johannes.
Das Ganze auf einem Fries,
der mit Fruchtkränzen, auf denen Vögel sitzen, gefüllt ist.
Darunter eine Girlanden eingerahmte Inschrift:
JOHANN GEORG ZOEPFEL KAMMERBURGGRAF; MICHAEL ANLAUFF RICHTER IN BLEISCHWITZ;
PAULUS REIMER FECIT OLOMVC;
MATTHAEUS JOES CORSCHETZ
Am Schlagring 5 Stege, darunter hängender Eichenblätterfries,
abgesetzter Holm darauf Girlanden gerahmter Fries,
ornamentale Ranken und Blüten.
Krone von 6 mit Engelköpfen verzierten Bügel.